Die Power-to-Gas-Anlage im Niedersächsischen Werlte ist seit 2013 Vorreiter für die Herstellung von grüner Energie und setzt bei der Methanverflüssigung auf HEROSE-Armaturen. Im Herbst 2021 tankt das Schiff ElbBLUE erstmals grünes synthetisches LNG – ein Pionier auf den Meeren.

 

 

Der große Sprung von 25 kW auf 6000 kW

„Mit einem VW Passat, den wir mit Methan betankt haben, hat alles angefangen“, erzählt Tolga Akertek, Verfahrensingenieur und heutiger Betriebsleiter der Anlage. Durch das Fahrzeug ist Audi damals auf das Start-up Solarfuel aufmerksam geworden. Die Pilotanlage hatte 25 kW Leistung und konnte in einer Stunde einen Kubikmeter Methan produzieren. Der Wunsch der Audi AG war eine 6-Megawatt-Anlage für die Produktion von grünem Methan. Nach zwei Jahren Engineering und Bauzeit wurde die Anlage in Werlte Ende 2013 von Solarfuel an Audi übergeben und grünes Methan für eine CO2-neutrale Mobilität erzeugt. Damals die weltweit erste Anlage dieser Art.

Pioniere mit Erfahrung und vielen Ideen

Die Power-to-Gas-Anlage hat eine Kapazität von ca. 1000 Tonnen Gas im Jahr. Das produzierte e-gas wurde zunächst ins Erdgasnetz eingespeist. Damit konnten Fahrer von Audi CNG-Fahrzeugen ihre CO2-Emissionen bilanziell und well-to-wheel um 80 % reduzieren. Seit 2018 wird auch grüner Wasserstoff an Industriekunden verkauft. Durch ein Management Buy-out im Frühjahr 2021 sind die ehemaligen Betreiber jetzt auch Eigentümer der Anlage und sie haben große Pläne. Das neueste Projekt ist eine Containeranlage, die unter Zuführung von CO2 grünes synthetisches Erdgas (LNG) erzeugt – das lässt sich z. B. in Schiffsmotoren und im Schwerlastverkehr nutzen.

Die kiwi AG – so heißt die junge Firma – hat eine Kooperation mit Alternoil geschlossen, einem Vorreiter im nachhaltigen Schwerlastverkehr, der bis Ende 2021 40 LNG-Tankstellen in Deutschland betreiben wird. An diesen Tankstellen ist das synthetische LNG aus erneuerbarer Windenergie von kiwi und das Bio-LNG aus organischen Reststoffen erhältlich. Die Anlage zeigt, dass fossile Brennstoffe direkt durch synthetische ersetzt werden können.

So entsteht synthetisches LNG

Der per Elektrolyse hergestellte grüne Wasserstoff reagiert mit dem CO2 aus der benachbarten Abfallbiogasanlage. In einem großen Wärmetauscher wird bei minus 150 °C das Gas so weit heruntergekühlt, dass das CO2 fest wird und als Trockeneis ausfriert. Anschließend wird das verbleibende Methan-Wasserstoff-Gemisch bis zur Verflüssigung des Methans gekühlt – hier in der Liquefaction sind 190 HEROSE-Ventile verbaut. Der restliche Wasserstoff bleibt gasförmig und wird wieder in den Methanisierungsreaktor zurückgeführt. Die Anlage kann mehr als 5 Tonnen synthetisches LNG innerhalb von 24 Stunden produzieren. In einem 60 Kubikmeter-Tank wird zwischengespeichert, bis die Trailerabfüllung erfolgt.

Grüner Strom ist die Grundlage

Eine Power-to-Gas-Anlage braucht als wesentlichen Input Strom aus erneuerbaren Energien. Der Strom könnte auch in direkter Anbindung an Windräder oder Solarkraftwerke bezogen werden. Die Anlage in Werlte ist ans Netz angebunden und kann auf unterschiedliche Weise Strom beziehen. Aufgrund der starken Flexibilität – die Anlage kann innerhalb von 5 Minuten von null auf Volllast hochfahren und innerhalb von Sekunden abschalten – ist sie eine ideale Ergänzung für die stark veränderliche Wind- und Solarenergie. Wenn ein Sturmtief die Windräder am Freitagabend rotieren lässt und weder Industrie noch Privathaushalte großen Bedarf haben, ist in der Vergangenheit der Strompreis auch mal ins Minus gerutscht. Die Stromabnahme kann auch der Stabilisierung der Netze dienen. Die so genutzte Energie wird in Form von erneuerbarem Wasserstoff oder Methan gespeichert.

Als Power-to-X bezeichnet man alle Verfahren, die grünen Strom zur Speicherung in chemische Energieträger umwandeln, mittels Elektrolyse entsteht je nach Verfahren z. B. Wasserstoff und auch Methan.
Synthetisches LNG kann überall eingesetzt werden, wo bisher fossiles LNG eingesetzt wird.

 

Von Werlte in die Welt – synthetisches LNG in der Schifffahrt

Seit einiger Zeit muss die Schifffahrt neue Umweltschutzbestimmungen einhalten: Weniger Schwefel in den Treibstoffen und geringere Stickoxidemissionen, Ruß beziehungsweise Partikelemissionen sind auch ein wichtiges Thema. Dadurch kam LNG als Treibstoff ins Spiel, das diese Forderungen erfüllen hilft. Mit fossilem LNG wurde der CO2-Ausstoß bereits gesenkt, aber mit synthetischem LNG fährt ein Schiff CO2-neutral – für die Schifffahrt ist das ein großer Schritt in Richtung maritimer Klimawende.

Seit 2017 fährt die ElbBLUE mit LNG

Das 152 Meter lange Containerschiff MS „ElbBLUE“, ehemals MS „Wes Amelie“, hat eine Kapazität von 1000 20-Fuß-Standardcontainern (TEU) und ist im Zubringerverkehr von Rotterdam in die Ostsee nach Finnland und Russland unterwegs. Die MS „Wes Amelie“ war 2017 das weltweit erste Schiff dieser Art, das auf LNG-Betrieb umgerüstet wurde. Der Motor wurde zu einem sogenannten Dual-Fuel-Motor umgerüstet und ein 500 Kubikmeter LNG-Tank eingebaut – der Umbau dauerte drei Monate. Als Kraftstoff ist LNG ein bisschen anspruchsvoller, da muss vieles bedacht werden. Sicherheitseinrichtungen wie doppelwandige Rohre, Gasdetektoren und verschiedene Notabschaltungen mussten installiert werden. Die Besatzung hat spezielle Fortbildungen absolviert, damit sie mit dieser Technik fahren darf. Der Schiffstyp wurde ausgewählt, weil es über 20 Schwesterschiffe gibt, weitere Umbauten sollen folgen.

Einfach so auf synthetisches LNG umsteigen?

„Auf Dauer müssen wir dekarbonisieren“, sagt Rainer Runde, technischer Projektleiter des Schiffsumbaus, „Batterien und Wasserstoff funktionieren auf Schiffen aufgrund der niedrigen Energiespeicherkapazität nicht, sie sind für die langen Reisen von Schiffen nicht geeignet. Synthetisches LNG hat eine relativ große Energiedichte und ist hier die Lösung.“ So wurde gemeinsam mit dem Motorenhersteller MAN die Idee entwickelt, den Beweis anzutreten, dass synthetisches LNG im Schiffsmotor eingesetzt werden kann. Eine Hürde ist bisher die Verfügbarkeit von grün hergestelltem, synthetischem LNG. Eine Zusammenarbeit der Pioniere der Herstellung und der Vorreiter der Anwendung lag also auf der Hand. In Werlte wurden 20 Tonnen synthetisches LNG hergestellt, per Lkw – ein Fahrzeug mit LNG-Antrieb – nach Brunsbüttel gebracht und innerhalb von rund einer Stunde war der Tankvorgang abgeschlossen. Das grüne LNG kostet etwa fünf Mal so viel wie fossiles. Rainer Runde kommt gerade von der Probefahrt mit dem neuen Kraftstoff zurück und ist begeistert: „Wir haben die Emissionen in allen Laststufen des Motors gemessen und alle Erwartungen wurden erfüllt.“ Beim Test befand sich eine Mischung von 50 % fossilem LNG und 50 % synthetischem LNG im Tank. Auch für die Zukunft ist ein Drop-in des synthetischen Kraftstoffs von beispielsweise 10 bis 20 Prozent möglich – das wäre dann der Anfang zu einem Übergang in die Dekarbonisierung.

Wir wollten zeigen, dass ein Schiff, das fossiles LNG nutzt, ohne weitere Umrüstmaßnahmen mit synthetischem LNG fahren kann.

Rainer Runde, Technischer Projektleiter für den Schiffsbetrieb

Qualität und Verlässlichkeit für grüne Energie.

In der Anlage in Werlte zur Herstellung von synthetischem LNG kommen zahlreiche HEROSE-Produkte zum Einsatz, zum Beispiel Regelventile für die Stickstoffzufuhr an den Wärmetauschern, auch an der Stickstoffanlage selbst oder zur Überleitung des fertigen synthetischen LNGs in den großen Lagertank. Auch auf zahlreichen Schiffen, die mit LNG fahren, verlässt man sich auf HEROSE-Produkte.

Foto oben: Peter Eggermann – Adobe Stock

Posted by HEROSE